Zum Ende von Universal Analytics: Das sollten Sie wissen und tun

Christoph Jakob im Portrait
Von Christoph
Eine Birne und ein Apfel stehen nebeneinander vor einem schwarzen Hintergrund. Davor steht: Zum Ende von Universal Analytics.

*plop* Da ist Google wohl der Geduldsfaden gerissen. Es wird vermutet, es hätten nur sehr wenige Website-Betreiber mitgemacht. Waren Sie dabei? Jetzt macht Google mit dem Holzhammer weiter: ab dem 01. Juli 2023 werden in den Standard Universal Analytics Properties keine Daten mehr erfasst. 

3 Monate später ist auch in allen anderen Properties Schluss. Oder anders formuliert: Universal Analytics wird ab Ende Juni 2023 nicht mehr unterstützt und wertlos für Sie.
Das ist ja noch lange hin? Weit gefehlt! Sie sollten spätestens bis Ende Juni 2022 reagiert haben. Eilige Leser, die nicht wissen wollen, warum sich der Umstieg auf Google Analytics 4 (GA4) lohnt, finden am Ende dieses Beitrags eine To-do-Liste.

Warum Google Analytics 4?

Die Idee hinter Universal Analytics stammt aus einer Zeit, zu der man mich noch “jungen Mann” nannte, irgendwann in den Nullerjahren. Es war damals sehr anschlussfähig, auflagenähnliche Metriken wie aus Print-Publikationen zu verwenden, so z.B. die Page Impression. Damals war Auflage King. Die Kombination aus Auflagenhöhe und der Hauptzielgruppe bestimmte die Anzeigenpreise. Für den Markt gedruckter Erzeugnisse hat sich das bis heute nicht verändert, wenn auch die Preise relativ gesehen stark gefallen sind.
Fürs Web hat Google aus meiner Sicht sehr richtig erkannt, dass Quantität wenig Aussagekraft hat. Was zählt sind Interaktionen mit Ihrer Website und ihrem Unternehmen. Was zählt sind Nutzerzufriedenheit und User Experience. Sie können sich von Traffic und Page Impressions keine Investitionen in die Zukunft kaufen. Von Neukunden und wiederkehrenden Bestandskunden schon. Darum geht es bei GA4. Wo kommen die Neukunden her, was machen sie auf der Website und wohin navigieren sie? Google meint es mit GA4 gut mit uns.

Datenschutz und Tracking ohne Cookies

Doch was nützt die Messung bedeutungsvoller User- und Customer Journeys, wenn keine Daten zur Verfügung stehen? Ohne (3rd Party-)Cookie-Einwilligung durch Nutzer:innen werden bei Universal Analytics auch keine Daten gesammelt. Auch dafür hat Google Analytics 4 eine Lösung bestehend aus 2 Komponenten:

  1. Eine Kombination aus 1st Party Daten und künstlicher Intelligenz soll bei GA4 für bis zu 70% der nicht vorhandenen Daten kompensieren. Die Parallel-Analyse von Online-Kampagnen in Universal Analytics und Google Analytics 4 sollte somit für Performance Marketeers ab jetzt zum Standard gehören.
  2. Mit dem in GA4 integrierten sog. “Consent Mode” lässt sich die Datenerfassung bei fehlender Cookie-Einwilligung konfigurieren. Egal, wie Sie es jedoch drehen und wenden, es fehlen Daten. Wer eine möglichst große Datenbasis erreichen will, sollte auf das serverseitige Tracking mit Google Analytics oder mit alternativen Tracking-Anbietern, die nicht auf 3rd Party Cookies angewiesen sind, setzen. Mein Kollege Steve Colin hat hierfür eine sehr lesenswerte Entscheidungshilfe geschrieben und Matomo und etracker miteinander verglichen.

Unterschiede & Updates

Wie Sie merken werden, reicht schon ein Blick in beide Analytics Versionen aus, um gravierende Unterschiede festzustellen. Nicht nur die Benutzeroberfläche hat sich in Google Analytics 4 stark verändert, es gibt auch wesentliche Unterschiede in der Datenerfassung. Es gibt eine Zusammenfassung der wichtigsten Berichts-Reiter, gegliedert in Startseite, Berichte, Erkunden, Werbung und Konfigurieren. Diese Gliederung der Navigation kennen wir aus Universal Analytics noch so: Startseite, Anpassung, Echtzeit, Zielgruppe, Akquisition, Verhalten und Conversions. Während Universal Analytics dem Konto Aufbau → Konto → Property → Datenansicht folgt, gibt es in Google Analytics 4 nur noch die Property, ohne weitere Datenansichten. Kann ich meine Website Daten also nur noch konsolidiert betrachten? Natürlich nicht, denn dies wäre ein klarer Rückschritt in der Evolution des Dienstes. Doch warum wird die bestehende Struktur eines Anbieters so stark verändert? Um eine Antwort auf diese Frage geben zu können, schauen wir uns zunächst den Unterschied zwischen Datenansichten und Datenströmen an, um dann kurz auf die Datenbasis einzugehen. Abschließend erhalten Sie einen zusammenfassenden Überblick über die wichtigsten Unterschiede.

Datenansichten vs. Datenströme

Wie bereits weiter oben erwähnt sind wir es in Universal Analytics gewohnt gewesen, dass es für jedes Konto Properties und meist mehrere Datenansichten gibt. Die Datenansichten kann man so anpassen, dass nur ein bestimmter Teil aller UA-Daten in die jeweilige Datenansicht fließt. Hier ein bekannter Anwendungsfall aus der Vergangenheit, der mehrere Datenansichten erforderte: Die Daten von verschiedenen Anwendungsbereichen oder Marken einer Website sollen getrennt voneinander analysiert werden. Hier macht es definitiv Sinn mehrere Datenansichten für jede Marke zu erstellen, um den Traffic später nicht jedes Mal mühsam durch manuelle Filter zu trennen. Genau diese Datenansichten werden in GA4 durch sogenannte Datenströme (Data Streams) ersetzt, um die zu betrachtenden Daten schnell nach bestimmten Kriterien segmentieren zu können. So können beispielsweise eine Webseite und eine App in separate Datenströme fließen, dennoch wird eine konsolidierte Ansicht in der Betrachtung möglich sein. Weiter ist es möglich, Webseiten mit mehreren Sprachverzeichnissen innerhalb derselben Domain, je Verzeichnis in eigene Datenströme fließen zu lassen. Jeder Datenstrom erhält eine eigene Property mit einer individuellen Tracking-ID.

Datenbasis

Ein weiterer, essenzieller Unterschied zwischen Universal Analytics und GA4 zeichnet sich in der Datensammlung bzw. der Datenbasis. Universal Analytics Properties sammeln Daten auf Session- und Pageview-Ebene, während die GA4 Datenbasis auf Events und Parametern basiert. Auch ein einfacher Pageview wird zukünftig in GA4 als Event gesehen. In der Praxis führt diese grundlegende Änderung dazu, dass umfangreichere Möglichkeiten bestehen, einzelne Elemente oder Inhalte einer Website und dessen Nutzung zu bemessen. Hier war Universal Analytics oft nicht in der Lage, tiefgreifende Analysen zu gewährleisten. Evtl. Rückschlüsse aus der Nutzung mit bestimmten Elementen ließen sich in Vergangenheit meist nur durch ausgeklügeltes Event Tracking herleiten. Genau hier setzt GA4 mit der neuen Datenbasis an. Unsere übergeordnete Sicht beschränkt sich nicht nur auf Metriken zu verschiedenen Seiten, sondern soll sich mehr auf das konkrete Verhalten des Nutzers und dessen User Experience verschieben. Nutzer stehen also im Vordergrund, nicht die Website!

Ausgewählte Unterschiede auf einen Blick

Grafische Darstellung der wichtigsten Unterschiede zwischen Universal Analytics und Google Analytics 4

GA4: Das sollten Sie nun tun

Da hier ggf. einige Schnellleser hingesprungen sind, geht es ohne Umschweife an die To-dos. Vorab sei gesagt: Es gibt als “Pflichtteil” nicht sonderlich viel zu tun – jedoch sehr zeitnah.

  1. Integrieren Sie das gtag.js bis spätestens 30. Juni 2022 und eröffnen Sie die GA4-Property aus Universal Analytics heraus. Die Daten aus GA4 und Universal Analytics können Sie nicht miteinander vergleichen. Mit der Integration des gtag.js startet die Datenerfassung und Sie sind zum Ende der Datenerfassung in Universal Analytics wenigstens in der Lage Vorjahresvergleiche in GA4 durchzuführen. Sonst bleiben nur Äpfel und Birnen...
  2. Sitzungen, Sessions oder Seitenaufrufe sind für Ihr Unternehmen essenziell? Dann informieren Sie schnellstmöglich die Geschäftsführung und reden Sie über die Veränderungen und den Umgang damit. Auch hinsichtlich von Aufbewahrungspflichten könnte dies interessant sein, denn Universal Analytics wird die historischen Daten nicht dauerhaft zur Verfügung stellen. Stellen Sie sich die Frage, welche Daten und wie weit zurück Sie diese exportieren möchten.
  3. Mit der Integration des gtag.js startet automatisch das GA4-Tracking im Basis-Modus. Ob die für Ihr Unternehmen relevanten Ereignisse dabei erfasst werden, lässt sich erst nach Implementierung des Tracking-Tags beantworten. Sehr wahrscheinlich brauchen Sie mehr als die Standard-Integration. Überlegen Sie sich jetzt, was die entscheidenden Kennzahlen für Ihr Geschäftsmodell, Ihre Website und somit der Web-Analyse sind. Die Antwort “Alles!” ist selten richtig.
  4. Und zu guter Letzt: Dies ist ein guter Zeitpunkt darüber nachzudenken, den Webtracking-Anbieter zu wechseln. Sie wechseln ohnehin, da die Daten aus GA4 und Universal Analytics nicht vergleichbar sind. Es gibt sehr gute Tracking-Lösungen da draußen. Sind diese im EU-Raum datenschutzrechtlich unbedenklich, erhalten Sie sogar eine deutlich bessere Datengrundlage – und nicht nur über künstliche Intelligenz hochgerechnete Informationen wie bei GA4.

Geduld ist eine Tugend, heißt es. Dies trifft jedoch aktuell nicht auf Ihre Webanalyse zu. Kommen Sie auf uns zu, sollten Sie Fragen oder Migrationsbedarf haben.

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